Die Wehrpflicht fehlt - und dem THW dadurch der Nachwuchs

Ortsverbände im Landkreis bangen um Einsatzfähigkeit

Spinde in den THW-Verbänden bleiben öfter frei. Ein Grund: Seit dem Aus der Wehrpflicht kann der THW-Dienst nicht mehr vor dem Grundwehrdienst schützen. Foto: M. Jahn

Borna/Grimma. Das Ende der Wehrpflicht in Deutschland hat zweifelsfrei auch negative Folgen. Konkret fürs Technische Hilfswerk (THW). Seit dem Aus für die Wehrpflicht fehlt den Ehrenamtlern der Bundesanstalt der Nachwuchs, wie Bernhard Kny, der Ortsbeauftragte des THW-Ortsverbandes Grimma, und der stellvertretende Ortsbeauftragte des THW-Ortsverbandes Borna, Florian Pitulle, bestätigen. Kam früher um den Grundwehrdienst, wer sich für mindestens sechs Jahre beim THW verpflichtete, gibt es dieses entscheidende Argument heute nicht mehr. Hinzu komme, das immer weniger Leute bereit scheinen, ihre Freizeit dafür zu opfern, "um sich anzuschauen, wie die Geräte funktionieren, ohne zu wissen, wann sie das im Einsatz einmal anwenden können", so Pitulle. Einsatzjunkies seien eher bei der Feuerwehr zu finden.
Dabei ist es keineswegs so, dass die THW-Mitglieder ohne Einsatzpraxis wären. So war das Grimmaer THW erst kürzlich am Müncherteich bei Grethen, um einen gebrochenen Damm wieder instand zu setzen. Vor drei Jahren, so Kny, sorgten die Grimmaer, bei denen es eine Fachgruppe Elektroarbeiten gibt, dafür, dass die Reinigungsanlage der Deutschen Bahn AG für Intercityzüge in Leipzig wieder in Gang kam. Kny: "Da haben wir 24 Stunden gearbeitet." Das Bornaer THW wiederum musste im vorigen Jahr in Grimma anrücken, als dort nach einem Dieseldiebstahl Öl in Größenordnungen ausgelaufen war und ins Grundwasser zu sickern drohte. Die Bornaer Helfer, wie die THW-Mitglieder intern heißen, verfügen über Arbeitsgruppen für Ölschäden sowie Wasserpumpen. Sie rückten auch aus, als in Limbach-Oberfrohna und im Aldi-Zentrallager die Dächer unter der Schneelast einsturzgefährdet waren.
Und natürlich sind Einsätze bei Hochwasser so etwas wie die Klassiker für die beiden THW im Landkreis Leipzig. So, als die Grimmaer in ihrer Heimatstadt beim Jahrhunderthochwasser 2002 Sandsäcke für Dämme schichteten oder vor zwei Jahren im Wasserwerk Canitz nördlich von Wurzen zur Sicherung der Wasserversorgung der Großstadt Leipzig anrückten. Dort waren auch die Bornaer Helfer, die zuvor bereits in Thüringen im Einsatz waren und später die Kanalisation in Bad Düben entleerten.
Auch die Einsätze beim legendären Münsterländer Schneechaos am ersten Adventswochenende 2005 stehen in den Annalen beider THW-Ortsgruppen. Damals hatten starke Schneefälle, die für 50 Zentimeter Neuschnee sorgten, erhebliche Verkehrsbehinderungen zur Folge. Außerdem knickten mehrere Strommasten unter der starken Schneelast um - mit Stromausfällen als Folge.
Für Einsätze wollen die THW-Mitglieder in Borna (58) und Grimma (51) auch weiterhin gerüstet sein. Besonderes technisches Interesse ist dafür nach Angaben des Grimmaer Ortsbeauftragten Kny keineswegs Voraussetzung. "Wir brauchen auch Leute für die Verwaltung." Außerdem bekommt jeder Helfer eine Grundausbildung, ohne die er ohnehin niemals zum Einsatz kommen würde. Darin geht es um Holz- und Metallbearbeitung ebenso wie um das fachgerechte Heben schwerer Lasten. Kny: "Es soll sich ja niemand einen Bruch heben." Das könne jeder lernen, auch wenn er im Büro arbeitet. Deshalb kommen bisweilen auch Leute, die die Woche über genau das machen und nach einem Ausgleich suchen. Arbeitgebern sollte es zumindest der Papierform nach leichtfallen, ihre Mitarbeiter für Einsätze des THW freizugeben. Ihnen wird das Gehalt ihres Mitarbeiters aus Bundesmitteln erstattet.
Mitglied werden kann jeder, mittlerweile bereits im Alter von sechs Jahren. Nach oben gibt es keine Grenzen. "Wer sich rüstig genug fühlt, der kann bei uns mitmachen", sagt Kny. Der gelernte Maschinenbauingenieur muss es wissen. Er wird in zwei Monaten 70 und ist immer noch begeistert bei der Sache.

Die Wehrpflicht wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 21. Juli 1956 eingeführt. Die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung sah das Grundgesetz schon in seiner Urfassung ab 1949 vor. Im März 1956 wurden die Wehrpflicht aufgenommen sowie die Möglichkeit eines Ersatzdienstes, der keineswegs länger dauern sollte als der Wehrdienst. 1968 wurde die Wehrpflicht mit dem Artikel 12a im Grundgesetz geregelt. Am 15. Dezember 2010 wurde durch das Bundeskabinett eine Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 beschlossen. Die Wehrpflicht besteht also weiter, in Friedenszeiten werden aber keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen. Zum 1. Januar 2011 wurden zum letzten Mal alle Wehrpflichtigen zwangsweise einberufen, seit dem 1. März 2011 werden Wehrpflichtige nicht mehr gegen ihren Willen zum Dienst verpflichtet

Anmerkung: Im Originalartikel der LVZ war von Bernhard Kuy die Rede, korrekterweißse muss es Bernhard Kny heißen. Dieser Fehler wurde hier behoben.Dieser Artikel erschien zu erst in der Leipziger Volkszeitung am 25.02.2015.


Dieser Artikel erschien zu erst in der Leipziger Volkszeitung am 25.02.2015. Autor ist Nikos Natsidis.




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